Menschen von oben fotografiert, die an einem Tisch sitzen.

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Bund und Länder haben eine Reihe von Gesetzen erlassen, um das Verhältnis von Bürgern, Firmen und Verwaltungen im Informationszeitalter zu gestalten. Das im Jahr 2013 vom Bundestag beschlossene E-Government-Gesetz (EGovG) gilt dabei als Stammgesetz. Ein Stammgesetz bezeichnet übrigens ein Gesetz, das die erstmalige Regelung bestimmter Sachverhalte enthält. Was das im Einzelnen bedeutet, erkläre ich euch im Folgenden.

Was ist E-Government?

In einem Kommentar - so werden juristische Erklärungen zu einem Gesetz bezeichnet - definiert das Bundesinnenministerium den Begriff E-Government folgendermaßen:

„E-Government ist die Abwicklung geschäftlicher Prozesse im Zusammenhang mit Regieren und Verwalten (Government) mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechniken über elektronische Medien.“

Jetzt werdet ihr vielleicht denken, dass es doch eine Selbstverständlichkeit sein sollte, Informations- und Kommunikationstechniken auch in der öffentlichen Verwaltung zu nutzen. Schaut ihr euch aber einmal genauer die Kernpunkte des Gesetzes an, werdet ihr sehen, dass damit an den Grundfesten der öffentlichen Verwaltung gerüttelt wird, was an zwei Bespielen bereits deutlich wird:

Selbst wenn eine Verwaltung in der Vergangenheit hätte anders arbeiten wollen, durfte sie es häufig nicht, weil Verwaltungen an bestehende gesetzliche Vorgaben gebunden waren. Hinzu kommen immer wieder Umsetzungsschwierigkeiten, etwa weil der Bund nicht zuständig für die Organisation von Verwaltungen in den einzelnen Bundesländern sowie Kommunen ist und in diesem Kontext keine verwaltungsinternen Regelungen vorschreiben kann.

Was sind die Ziele des E-Government-Gesetzes?

Ganz abstrakt formuliert besteht das Ziel des Gesetzes darin, durch den Abbau bundesrechtlicher Hindernisse die elektronische Kommunikation mit der Verwaltung zu erleichtern.

Dazu werden Regelungen in sechs zentralen Bereichen getroffen:

1) Die Verpflichtung der Verwaltung, einen elektronischen Kanal zu öffnen sowie die Verpflichtung der Bundesverwaltung zur Eröffnung eines De-Mail-Zugangs

Eine der Grundvoraussetzungen ist, dass eine öffentliche Verwaltung über einen „elektronischen Kanal“ erreichbar ist. Dazu reicht eine einfache E-Mail-Adresse erst einmal aus. In der Praxis kann das bedeuten, dass Anträge über ein Portal gestellt werden können. Hier lohnt sich übrigens ein Blick in das Onlinezugangsgesetz (kurz OZG) - ein Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen. Es könnte aber auch bedeuten, Statistiken über standardisierte Schnittstellen zu erhalten, statt dazu immer die gleichen Fragebögen händisch auszufüllen.

Auf die De-Mail möchte ich an dieser Stelle allerdings nicht näher eingehen. Ich persönlich halte sie für ein totes E-Government-Pferd, das aus unerklärlichen Gründen weitergeritten wird.

2) Die Grundsätze der elektronischen Aktenführung und das Ersetzen von Dokumenten-Scans

Nehmen wir mal an, es gäbe bereits einen elektronischen Kanal zwischen Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen auf der einen und einer Verwaltung auf der anderen Seite. Man könnte denken, dann ist doch alles in Ordnung. Würde man aber genauer hinschauen, dann würde sich folgende Frage stellen: Was nützt dieser Zugang, wenn innerhalb der Verwaltung noch mit Papier gearbeitet wird oder gearbeitet werden muss? Bislang jedenfalls landen alle Verwaltungsvorgänge in einer Papierakte. Zudem gibt es auch weiterhin zahlreiche Bürgerinnen und Bürger, die den persönlichen Kontakt mit den Verwaltungsmitarbeitenden einem Onlineformular vorziehen.

Die öffentliche Verwaltung ist an Recht und Gesetz gebunden und die Entscheidungen müssen unter anderem durch Verwaltungsgerichte und Aufsichtsbehörden nachvollzogen werden können. Deshalb gibt es das Prinzip der Aktenmäßigkeit der Verwaltung. Das heißt, alle wesentlichen Entscheidungen beziehungsweise Verfahrenshandlungen der Verwaltung müssen sich vollständig und nachvollziehbar in den Akten wiederfinden. Sollen diese bisher in Papier geführten Akten jetzt digitalisiert werden, muss berücksichtigt werden, dass diese Grundsätze auch für elektronische Akten gelten. Jede Behörde hat durch technische und organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Grundsätze der ordnungsgemäßen Aktenführung eingehalten werden. Behörden, die Papierdokumente einscannen möchten beziehungsweise dazu aufgefordert sind, müssen zudem die entsprechenden Richtlinien des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) - unter anderem TR-RESICAN - beachten.

3) Die Erleichterung bei der Erbringung von elektronischen Nachweisen und der elektronischen Bezahlung in Verwaltungsverfahren

Jetzt kann es sein, dass für ein Verwaltungsverfahren bei einer Behörde die Bescheinigung einer anderen Behörde notwendig ist. Was bringt es aber, wenn eine Behörde digital arbeitet, Bürgerinnen und Bürger jedoch zunächst eine Bescheinigung von einer anderen Behörde, die noch nicht digital arbeitet, benötigen? Diese Bescheinigung muss dann erst von der digital arbeitenden Behörde eingescannt werden, damit sie bearbeitet werden kann. Wäre es nicht besser, wenn es der einen Behörde erlaubt werden würde, sich per Schnittstelle die Bestätigung der Information, die sie von der anderen Behörde benötigt, einzuholen? Dahinter steckt der alte Wahlkampfschlager „Die Daten sollen laufen, nicht die Bürger“. Schließlich sind viele Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung nicht kostenlos zu haben - häufig fallen dafür nämlich Gebühren an. Dem Gesetz nach würde es reichen, zum Bezahlen eine Bankverbindung anzugeben, sodass beispielswiese per Online-Banking und nicht vor Ort gezahlt werden kann.

4) Die Erfüllung von Publikationspflichten durch elektronische Amts- und Verkündungsblätter

Wenn Gesetze oder Verordnungen erlassen werden, ein Bebauungsplan aufgestellt werden soll (auch wenn dafür der Bund nicht zuständig ist) oder eine neue Stromtrasse von Nord- nach Süddeutschland geplant wird, dann müssen die Bürgerinnen und Bürger davon erfahren. Ohne Verkündung - also öffentliche Bekanntmachung - ist ein Gesetz unwirksam. Häufig ist es allerdings so, dass die Amts- und Verkündungsblätter im wahrsten Sinne des Wortes „Blätter“ sind.

Mit der Regelung im E-Government-Gesetz wird klargestellt, dass die Bundesgesetze in dieser Hinsicht nicht wörtlich genommen werden sollen. Das bedeutet, ist beispielsweise in einem Bundesgesetz von einem amtlichen Mitteilungs- oder Verkündungsblatt des Bundes die Rede, reicht es aus, wenn dieses „Blatt“ elektronisch erscheint und über das Internet abgerufen werden kann.

5) Die Verpflichtung zur Dokumentation und Analyse von Prozessen

Mit drastischen Worten hat der ehemalige Telefónica CEO, Thorsten Dirks, die Notwendigkeit zur Prozessoptimierung ausgedrückt: „Wenn Sie einen Scheißprozess digitalisieren, dann haben Sie einen scheiß digitalen Prozess.“ Im Kommentar des Bundesinnenministeriums zum E-Government-Gesetz wird diese Notwendigkeit zwar mit anderen Worten, aber nicht weniger deutlich formuliert:

„Elektronische Verwaltungsdienste können einen bedeutenden Beitrag zur Verwaltungsmodernisierung und zum Bürokratieabbau leisten. […] Voraussetzung ist allerdings, dass vor einer Digitalisierung die Prozesse analysiert und gegebenenfalls neu strukturiert werden und nicht lediglich eine elektronische Abbildung der Papierwelt stattfindet.“

Kurz gesagt: Bevor eine neue Software in der Verwaltung einführt wird, sollten erst einmal die internen Abläufe aus prozessualer Sicht dokumentiert (mit einer gängigen Prozessnotation wie BPMN 2.0) werden, damit sie kontinuierlich überprüft und verbessert werden können. Hier sollte die Devise „IST-Prozess erheben, analysieren, SOLL-Prozess erarbeiten“ beachtet werden.

6) Die Regelung zur Bereitstellung von maschinenlesbaren Datenbeständen durch die Verwaltung

Laut Gesetz sollen Daten, falls diese digital zu Verfügung gestellt werden, grundsätzlich in maschinenlesbaren Formaten bereitgestellt werden. Was damit gemeint ist, kann dem Gesetz selbst entnommen werden: Ein Format ist maschinenlesbar, wenn die enthaltenen Daten durch Software automatisiert ausgelesen und verarbeitet werden können. Zudem sollen die Daten mit Metadaten versehen werden.

Gedacht ist die Regelung als Open-Data-Beitrag. Die zu Grunde liegende Datenstruktur sowie die entsprechenden Standards müssen öffentlich zugänglich sein und sollten vollständig und offen publiziert sowie kostenfrei erhältlich sein.

Fazit

Seit der Verabschiedung des Gesetzes im Jahr 2013 sind nun schon einige Jahre vergangen. Habt ihr seitdem mit Behördengängen zu tun gehabt, werdet ihr sehen, dass sich nicht viel getan hat. Das hat viele Ursachen. Welche Probleme es bei der Umsetzung des E-Government-Gesetzes gab und gibt, aber noch wichtiger, welche Verbesserungsvorschläge ich habe, erkläre ich euch in einem weiteren Beitrag.

Ihr möchtet mehr darüber erfahren, wie adesso die öffentliche Verwaltung im Rahmen der Digitalisierung unterstützt? Dann werft einen Blick auf unsere Website.

Bild Matthäus  Schlummer

Autor Matthäus Schlummer

Matthäus Schlummer ist Senior Consultant im Public-Bereich bei adesso. Während seines Studiums sowie bei seiner Tätigkeit bei adesso beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema E-Government. Zudem berät er Verwaltungen zur Modernisierung ihrer IT-Systeme und unterstützt diese dabei, ihre jeweiligen Prozesse zu optimieren.

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